Samstag, 20. Juni 2015

MISSBRAUCH IN KITA IN MAINZ-Weisenau:
Fragen über Fragen


„Alles ist doof“, so lautete die kryptisch-harmlose Antwort eines kleinen Jungen, den sein Vater gefragt hatte, wie es ihm tagsüber in der Kita ergangen war. Was sich wirklich in der Kita zugetragen hatte, blieb über lange Zeit unklar. Im Mai 2015 ist bekannt geworden, dass es in der Mainzer Kita „Maria Königin“ aus Angst und unter Drohungen zu sexuellen Übergriffen unter Kleinkindern gekommen sein soll. Die Kita ist daraufhin vorübergehend geschlossen und die sieben Erzieher fristlos entlassen worden; diese klagen gegen die Kündigung.

Die erschreckende Besonderheit ist, dass viele der Kinder (3 bis 6 Jahre alt) selbst als Missbrauchstäter ausgemacht worden sind: 53 von 55 Kindern sollen betroffen sein.

Wie konnten diese Vorgänge trotz sichtbarer Anzeichen von Gewaltanwendung über einen so langen Zeitraum unbemerkt bzw. ungeahndet bleiben? Diese Vorfälle sind mit ungläubigem Erschrecken aufgenommen worden – sie haben viele Fragen aufgeworfen, so u.a. in einem Interview mit Prof. Michael Huss, Kinderpsychologe am Mainzer UniKlinikum (FAZ, 17.06.15). Die fast 100%-ige Betroffenheit der Gruppe sei besonders auffällig. Da Kinder sich solche Taten nicht selbst ausdenken, muss es - nach Ansicht von Prof. Huss - Vorbilder, wohl auch auf der visuellen Ebene, gegeben haben. Möglich sei auch, dass frühere Opfer von  Übergriffen später zu Tätern geworden seien.

Es werde wesentlich darauf ankommen, beschädigte Schutzräume wieder aufzubauen. Inwieweit deshalb die Kinder selbst in die Aufklärung der Vorfälle einbezogen werden sollten, welche legitime Rolle dem Vergessen bzw. sogar dem Verdrängen in diesem Prozess zugestanden werden kann, bedarf bei dem Alter der Beteiligten besonders sorgsamer Abwägung. Wegen der Strafunmündigkeit darf es nicht zu strafrechtlichen Maßnahmen gegen die Kleinkinder kommen.

  • November 2015: Neuere Untersuchungen der Staatsanwaltschaft lassen erhebliche Zweifel an den bisherigen Darstellungen aufkommen.

Montag, 1. Juni 2015

FAMILIE (2): Nach dem irischen Votum zugunsten der Ehe für gleichgeschlechtliche Menschen

Im Mai 2015 haben sich die Iren in einem Referendum überraschend eindeutig mit fast zwei Drittel der Stimmen für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe ausgesprochen. Diese „soziale Revolution“ steht im krassen Widerspruch zu der wiederholt geäußerten ablehnenden Haltung der katholischen Bischöfe (nicht nur in Irland).

Wie ist dieses Votum zu erklären – und was könnte es für uns bedeuten? Nach den bei uns veröffentlichten Umfragen zur Vorbereitung der vatikanischen Bischofskonferenz 2014 zu Fragen von Ehe und Familie ist nicht daran zu zweifeln, dass zwischen der katholischen Lehre und der gelebten Wirklichkeit „Welten liegen“. Es liegt daher nahe, das irische Votum (nur) als befreiende Reaktion auf die als realitätsfremd, ja sogar als menschenunfreundlich empfundene Sexualmoral der Kirche zu deuten.

Ein Weiteres kommt hinzu: Die um sich greifende Säkularisierung hat dazu geführt, dass die von der Kirche vorgelegten Lehrmeinungen nicht wegen der unverständlichen Sprache und nicht wegen des als falsch eingestuften Wahrheitsgehalts – der wird gar nicht mehr überprüft -, sondern wegen ihrer nachlassenden Relevanz für das Leben des Einzelnen zunehmend ignoriert werden. Man hat sich – mehr oder weniger bewusst - in einer persönlich als angemessen empfundenen Grauzone eingerichtet; die Sprache der Kirche mit ihrem „Schwarz-Weiss-Denken“ (Beispiel: Kardinal Parolin „Votum in Irland ist Niederlage für die Menschheit“) wird als unangemessen und wenig hilfreich empfunden.

Seit 2001 gibt es in Deutschland die „eingetragene Lebenspartnerschaft gleichgeschlechtlicher Menschen“, nicht aber die Möglichkeit einer Ehe. Überhaupt nicht überraschend wird als Folge des irischen Votums jetzt auch bei uns medial vehement die völlige rechtliche Gleichstellung gefordert. Wie realistisch ist diese Forderung?

Kardinal Walter Kasper hat bestätigt, dass „demokratische Staaten die Pflicht haben, den Willen der Bevölkerung umzusetzen. Es sei offensichtlich, dass die Mehrheit der Menschen in den westlichen Ländern die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe befürwortet“. Der Kardinal stellt demgegenüber aber auch fest, dass die katholische Kirche an ihrer grundsätzlich ablehnenden Haltung festhalten werde. „Die Ehe zwischen Mann und Frau bleibe die einzige Quelle für neues Leben (und Zukunft)“. Auf diesen grundlegenden, gesellschaftlich relevanten Unterschied hinzuweisen stellt keine Diskriminierung anderer Formen der Partnerschaft dar.

Inwieweit bei diesem eindeutigen Sachverhalt eine von den Menschen akzeptierte und als zukunftsfähig empfundene Sprache für die angestrebte Gleichstellung gefunden werden kann, ist fraglich. Art. 6 GG stellt Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates. Sollte der deutsche Gesetzgeber gleichgeschlechtliche Partnerschaften der Ehe rechtlich vollständig gleichstellen, allerdings aus Gründen der Differenzierung (und eben nicht als unerlaubte Diskriminierung) ohne die Bezeichnung Ehe zu wählen, müsste die Frage der Geltung des Schutzbereichs von Art. 6 GG geklärt werden.