Samstag, 13. September 2014

LEBENSSCHUTZ UND MEDIZIN: Eine schwindende Vertrauensbasis?

Der alarmierende Befund: Aus der aktuellen Diskussion um Manipulationen bei Organspenden aber auch bei Fragen zum ärztlich assistierten Suizid muss man leider den Schluss ziehen, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt zunehmend gefährdet scheint. Ansätze eines latenten Misstrauens (persönlich bzw. strukturell) lassen sich schon früher in der Debatte um die Patientenverfügung erahnen.

 Aus Nachbarländern, in denen die aktive Sterbehilfe nicht verboten ist, kann man hören, dass diese „Dienstleistungen“ auch an nicht um ihre Einwilligung befragten Patienten vorgenommen werden. Daher wurde in Holland mit der CREDO CARD der besorgte Aufruf formuliert: „Maak mij niet dood, Doktor“. Leider geben vereinzelte Berichte aus deutschen Krankenhäusern Anlass zu der Sorge, dass Fälle gefährlicher Verwahrlosung – bis in den Grenzbereich der Lebensgefährdung – nicht mehr ausgeschlossen werden können.

Wenn man über die Phasen des Lebensschutzes nachdenkt – vom Beginn bis zum Tod -, wird ein zunehmend engerer Zusammenhang zwischen Leben und Medizin deutlich:

Zu Beginn in der Stammzellenforschung, der Kryokonservierung, dem Embryonenschutz, der künstlichen Befruchtung (IVF) sowie der Präimplantationsdiagnostik (PID) und der Pränataldiagnostik (PND); zu diesem frühen Stadium zählt auch die Leihmutterschaft als bei uns nicht erlaubte Ausnahme.

Zum Ende des Lebens haben Forschungserfolge zu einer deutlich längeren Lebenserwartung mit den dadurch gewonnenen erweiterten (Zeit-)Optionen geführt. Allerdings steigt auch die Zahl „altersbedingter“ Krankheiten (wie Demenz) sowie die latente Angst vor der als anonym-bedrohend empfundenen „Apparatemedizin“. Patientenverfügungen sollen das Gefühl der „verlorenen Autonomie“ überbrücken helfen. Im Zentrum der (medialen) Diskussion stehen im Moment Fragen um die Möglichkeiten und die potentiellen Gefahren der Sterbehilfe, des assistierten Suizids und der Organspenden.

Die wieder aufgekommenen Zweifel (neu Herzklinikum Berlin), ob bei Organtransplantationen trotz aller Bemühungen um mehr Kontrolle und Transparenz nicht doch manipuliert wird, führen zu Vertrauensverlusten und als Folge zu nachlassender Spendebereitschaft.

Umstritten bleibt bei der Betreuung pflegebedürftiger Menschen die Frage des Einsatzes von Psychopharmaka. Sind sie ein legitimes Mittel zur Schmerzlinderung, zur Erhaltung der Selbstbestimmung oder aber bei zu starker Sedierung eine neue Form der Gewaltanwendung?

Kann die Medizin in Verkennung ihres Auftrags bzw. dessen Grenzen sogar zu einer Bedrohung für den Patienten werden? Was ist, wenn die Medizin nicht „loslassen“ kann? Wie steht es mit dem Recht des Kranken, auf lebenserhaltende Maßnahmen zu verzichten – auch mit dem Risiko den eigenen Tod schneller herbeizuführen?

Die gelungene Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist entscheidend - basierend auf einem intakten Vertrauensverhältnis. Das verloren gegangene Vertrauen wieder aufzubauen, wird Zeit brauchen. 

September 2014