Mittwoch, 23. Juli 2014

FAMILIENPOLITIK –
und der gesellschaftliche Wertewandel:

Staatliches Handeln in einer hoch-komplexen, unübersichtlichen Situation

Die demographische Entwicklung in Deutschland ist seit Jahren negativ: Während vor zwanzig Jahren noch über 1,3 Mio. Kinder geboren worden sind, hat sich diese Zahl bis 2013 um etwa 50% verringert. Für die Zeit nach 2020 wird ein weiterer Einbruch prognostiziert. Ein Faktor dafür ist, dass immer mehr Frauen/Eltern bewusst auf Nachwuchs verzichten, also „gewollt kinderlos“ sind.

Eltern werden in ihrer Entscheidung für oder gegen Kinder von einer Kombination mehrerer Faktoren beeinflusst: finanziellen, strukturellen und kulturellen. Dazu gehören sich weiter wandelnde eigene und/oder gesellschaftliche Erwartungen, wobei letztere in ihrer Wirkung oft unterschätzt werden. Das traditionelle Familienbild wird nachhaltig hinterfragt. Andere Formen des Zusammenlebens drängen nach vorn (und verlangen nach Anerkennung). Aber auch in der Ehe ändern sich die Rollen: Der Vater als Haupt-/Allein-Ernährer verliert mehr und mehr an Bedeutung, die Väter kümmern sich mehr/länger um den Nachwuchs: Die – immer besser ausgebildeten – Mütter suchen (auch) eine berufliche Perspektive. Die stetig steigende Zahl nicht gelungener Partnerschaften und zerbrochener Familienstrukturen liefert für diese Entscheidung der Frauen eine nachvollziehbare Motivation.

Wie soll/kann der Staat auf diese Situation reagieren? Mit welchem realistischen Ziel? Darf der Staat ein Leitbild vorgeben? Gibt es die „ideale“ Familiengröße? Welche Grenzen muss der Staat grundsätzlich beachten? Die Möglichkeiten der künstlichen Befruchtung werden kontinuierlich erweitert. Ist daher deren stärkere finanzielle Förderung seitens des Staates angesagt? Allein auf die Einwanderung kinderreicher Familien zu setzen, ist sicher keine (Dauer-)Lösung. Es besteht die Gefahr des demographischen Kolonialismus (Prof. Birg, 2009). Die politisch offenbar gewollte Bevorzugung der – staatlich organisierten und immer mehr professionalisierten – Fremdbetreuung von Kleinkindern droht die Wahlfreiheit und das Ersterziehungsrecht der Eltern zu untergraben.

Zur Stabilisierung der Bevölkerung als Ziel staatlichen Handelns ist daher eine kluge Kombination der verschiedensten Maßnahmen angezeigt. Seit 2008 hat die Regierung diese nach Umfang und Wirkung wissenschaftlich untersuchen lassen: Staatliche Stellen geben danach für die Familien-Förderung insgesamt p.a. mehr als 125 Mrd. € aus (FAZ 15/02/2014, S. 12); die Zahlen werden angezweifelt. Dennoch ist ein nachhaltiger Trendwandel in der demographischen Entwicklung nicht eingetreten (evtl. eine Verlangsamung der Abwärtsspirale).

Nachhaltig erfolgreich – im Sinne der angestrebten Erhöhung der Geburtenzahlen – können staatliche Maßnahmen nur sein, wenn das gesamtgesellschaftliche Umfeld „sie trägt“. Wichtig ist eine grundsätzlich kinderfreundliche Einstellung. Die „bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ ist ein weiterer wesentlicher Baustein. Dabei geht es nicht nur und in erster Linie um die Berücksichtigung erkennbarer Bedürfnisse der Wirtschaft und damit um arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, sondern um die Erfüllung konkreter Erwartungen der (zukünftigen) Eltern. Echte, erfahrbare Wahlfreiheit auch in der (schulischen) Betreuung kann zu Kindern motivieren.

Seinen Bestand zu sichern, ist ein legitimes Interesse jedes Staates. Dabei muss er sich auch auf die Eltern verlassen. Sie zu Kindern zu motivieren, ist ein wesentlicher Bestandteil dieses staatlichen Auftrags. Um der eigenen Zukunftsfähigkeit willen fordert unser Grundgesetz in Art. 6 den besonderen Schutz von Ehe und Familie. Die sich abzeichnende Tendenz zur völligen Angleichung der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften mit der Ehe führt im Endeffekt zu einer Aushöhlung dieses legitimen Schutzgedankens. Die gewollte Ungleichbehandlung zugunsten von Ehe und Familie, der „Keimzelle unserer Gesellschaft“, ist daher keine Diskriminierung anderer Lebensformen, sondern eine gut begründete Differenzierung – im wohlverstandenen Eigeninteresse.