Samstag, 26. Januar 2008

ARS MORIENDI - Gedanken zum "Leben vor dem Sterben"




Diese Puppe gehört einer von uns interviewten Bewohnerin in dem Hospiz Advena, Wiesbaden.





Der Tod ereilt jeden Menschen - unabhängig davon, wie selbstgesteuert er sein Leben führt. Im Sterben stößt er an die unüberschreitbare Grenze seiner Selbstbestimmung. Das Sterben wird als der Widerspruch zur als modern angesehenen Lebensführung empfunden – Sterben und Tod als Verlust der menschlichen Autonomie. Läßt sich dieser Verlust teilweise mindern? Eine Möglichkeit soll die sogenannte Patientenverfügung sein. Man möchte sich nicht einer unpersönlichen seelenlosen Apparatemedizin überliefern, man möchte bis zuletzt die Kontrolle über das eigene Leben – und Sterben – behalten.

Manche Schwerkranke verwirklichen diese Selbstbestimmung mit der Fahrt zu DIGNITAS. Wenigstens der Todeszeitpunkt soll frei gewählt sein. Dabei lassen sie sich von Reportern begleiten, die den letzten Moment festhalten. Sie können sich des medialen Interesses sicher sein. Assistierter Suizid oder aktive Sterbehilfe bleiben trotz Moderne ein Tabubruch. Zeitungen, Fernsehformate und Filmproduktionen wenden sich vermehrt den Themen zu, die um die Verunsicherungen am Lebensende kreisen: Zunehmende Überalterung mit entsprechenden Erkrankungen sowie – bei allen anerkannten Fortschritten der Medizin – vielerlei Ängste vor Apparatemedi­zin, dem Alleingelassenwerden, dem Gefühl der Zumutung für die Angehöri-gen. Sie stehen als Metaphern für das befürchtete Unkontrollierbare, den Autonomieverlust.

Erfahrungen von Palliativmedizinern und Verantwortlichen in Hospizen zeigen aber einen ganz anderen, bis jetzt in den Medien stark vernachlässigten Aspekt: Wer die Endlichkeit des Lebens akzeptiert, für den wird auch der Tod annehmbarer. Im übrigen lassen sich die meisten „Sterbewünsche“ als Ängste deuten, die entsprechend therapiert werden können. Die Erfahrungen von Elisabeth Kübler-Ross haben schon 1969 gezeigt, daß Sterbende sehr wohl in der Lage sind, die letzte Le­benszeit positiv zu gestalten. Sie hat in Bild und Wort an einzelnen Schick­salen dokumentiert, wie man die „Lebenszeit vor dem Sterben“ für sich und andere nutzbar machen kann.

Wir versuchen in Gesprächen mit Ärzten, insbesondere im Bereich Palliativmedizin und Hospiz, mit Pflegern, Schwestern sowie Experten (auch für Bestattung, Trauerpastoral) über die „Ars Moriendi“, über Möglichkeiten menschenwürdigen Sterbens zu spre­chen.
Unser Hauptaugenmerk gilt aber den Gesprächen mit den Kranken und Sterbenden. Wir lassen uns von ihnen in die Welt der „Gäste/Bewohner“ einführen. Wir su­chen Betroffene auf, die eine besondere Haltung zu ihrem bevorstehenden Lebensende einge­nommen haben. Je nach Wunsch begleiten wir sie auf ihren Wegen, sich auf den Tod vorzuberei­ten; wir möchten verstehen, wie sie sich einüben, den Alltag, ihre Angehörigen, ihre liebsten Dinge und Menschen loszulassen.

Da wir nicht wissen, wie der Sterbeprozess im einzelnen verlaufen wird, kann die diskrete Sterbebegleitung mit der Kamera nur in engster, vertrauensvoller Zusam­menarbeit mit den verantwortlichen Begleitern (und evtl. auch den Angehörigen) stattfinden. Zu erwarten sind persönliche Bil­der der entscheidenden letzten Lebensphasen. Dabei lassen wir uns von dem Geheimnis um Leben und Tod berühren.

Im Januar 2008
Sonja Toepfer und Johannes Beckermann

Dienstag, 8. Januar 2008

Gespräche mit Sterbenden

aufgenommen im Hospiz ADVENA, Wiesbaden-Erbenheim