Montag, 21. Dezember 2015

FAMILIE – und die gesellschaftliche Entwicklung (3)

Was bedeutet Familie? Mit der Antwort tut sich nicht nur die Politik schwer.

Als notwendige Ergänzung staatlicher Angebote sind jetzt die Kirchen besonders gefordert.

Bei der Beschreibung unserer Gesellschaft und der in ihr zu beobachtenden übergreifenden Tendenzen wird allgemein – nicht immer ausreichend differenziert – die sich fortsetzende Auflösung gesellschaftlicher Strukturen festgestellt bzw. bedauert. Die Familie scheint von dieser Entwicklung besonders nachhaltig und überwiegend negativ beeinflusst worden zu sein. Warum? „Je mehr sich die neuzeitliche Gesellschaft entwickelte, desto weniger Rücksicht brauchte sie auf schwerfällige, früher einmal unentbehrliche Institutionen wie religiöse Glaubenssysteme, großfamiliäre Bindungen, regionale und lokale Netzwerke oder starre Rollenklischees nehmen“ schreibt Udo di Fabio in seinem neuen Buch „Schwankender Westen“ (C.H.Beck 2015, S. 28).

Das Verständnis von Familie wird von den Schwächungen der Glaubenssysteme und der familiären  Bindungen sowie den veränderten Rollenklischees – bei Frauen aber auch Männern - gleich mehrfach unterminiert. „Man weiß nicht mehr so recht, was Familie bedeutet“ (S. 29).

Die soziokulturellen Lebensgrundlagen (wie die Familie) zu schützen, ist primär die Aufgabe des Staates bzw. konkreter der politischen Parteien. Angesichts der vielfältigen und unterschiedlichen Entwicklungen, die auf das Thema „Familie“ einwirken, ist es nicht verwunderlich, dass „die Politik“ sich mit ihren familienpolitischen Leitbildern schwer tut. Auf ihrem Parteitag 12/2015 in Karlsruhe hat sich die CDU als „die Partei der Familien“ vorgestellt - mit dem Schwerpunkt der Wahlfreiheit „über den gesamten Lebenslauf“.

Selbstverständlich soll die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert werden. Man kann sich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Forderung nicht allein bzw. in erster Linie dem Wohl der Familie, sondern angesichts der demographischen Entwicklung vielmehr den (legitimen) Interessen der Wirtschaft geschuldet ist. Gleiches gilt für die „Familienarbeitszeit“. Notwendig sind zudem Ergänzungen in den Sozialversicherungssystemen, um den von den Familien erbrachten generativen Beitrag, die Erziehungsleistungen und zunehmend die Aktivitäten in der (häuslichen) Pflege angemessen zu würdigen.

Der Staat muß bei seinen Überlegungen eine Vielzahl von gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen im Auge behalten. Anders die Kirchen: Sie können aus einem vertieften Verständnis von Ehe und Familie – das war das Thema der gerade beendeten Familiensynode in Rom - andere Schwerpunkte setzen. In Ergänzung staatlicher Bemühungen müssen sie – zum Wohl der Kinder - der Stärkung der Familie noch mehr Aufmerksamkeit widmen. Das gilt u. a. für den Erziehungsauftrag der Eltern – einschließlich der wichtigen Bindungsförderung.

Montag, 30. November 2015

VERBOTSVERZICHT IM STRAFRECHT – und die (unterschiedlichen) Folgen

Beispiele: Suizidbeihilfe – Abtreibung 


Der Staat hat grundsätzlich das Recht, bei ethisch schwierigen, auch umstrittenen Konstellationen auf die Durchsetzung seines möglichen Strafanspruchs zu verzichten. Dieser Verzicht kann auch im Wege eines (zeitlich begrenzten) Experiments erfolgen. Allerdings muss sich der Gesetzgeber, wenn er im Strafrecht durch Nichtsanktionierung einen derartigen Verzicht ausspricht, der unterschiedlichen Auswirkungen auf die Menschen bewusst sein. Denn: „Zugleich vertragen weder das soziale Zusammenleben noch die Rechtsordnung Experimentierklauseln auf Gebieten, die ethisch so labil sind, dass jeder bewusste Verzicht auf ein Verbot von vielen Menschen sofort als Erlaubnis, ja Ermunterung verstanden wird und damit sofort die ethischen Urteile selbst verändert“ (Prof. E. Reimer, ZfL 3/2015, S. 67).

Nach langjährigen Diskussionen hat der Bundestag Anfang November 2015 bei der Neu-Regelung der Strafbarkeit der Suizidbeihilfe nur bei bestimmten Konstellationen wie der Beihilfe durch Angehörige auf seinen Strafanspruch bewusst verzichtet. In anderen Fällen, z.B. für die geschäftsmäßige Bereitstellung dieser „Hilfsmaßnahmen“, hat der Gesetzgeber dagegen seinen Strafanspruch in dem neu gefassten Gesetz deutlich verankert. Diese unterschiedliche Behandlung ist sachlich gerechtfertigt.

Differenzierter zu beurteilen ist m.E. die 1992 beschlossenen Abtreibungsregelung: Der generelle Verzicht auf die Strafbarkeit – trotz fortbestehender Rechtswidrigkeit und zudem noch unabhängig von den handelnden Personen - hat sich, wie von manchen Kritikern vorhergesagt, negativ auf das Unrechtsbewusstsein bzgl. der Tötung menschlichen Lebens ausgewirkt. Das ethische Urteil hat sich verändert. Diese Verminderung des Unrechtsbewusstseins müsste laut Weisung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich zu einer Überprüfung der „Experimentierklausel“ führen. Wie und ob der Staat seiner erforderlichen Beobachtungs- bzw. Nachbesserungspflicht nachkommt, hat auf die Bewertung der in Frage stehenden Fälle einen bewusst in Kauf genommenen, leider negativen Einfluss. Bei der Frage der strafrechtlichen Behandlung der Abtreibung kann man diese Auswirkungen gut erkennen. Aus „Angst“ vor einer unerwünschten Diskussion und der daraus folgenden Neuregelung verzichten alle zur Einforderung der rechtlich gebotenen Beobachtung bzw. Neufassung Berechtigten auf die dazu eigentlich notwendigen verfassungsrechtlichen Schritte.

Der ursprünglich als Experiment erlaubte Paradigmenwechsel (Beratung statt Bestrafung) wird so zu einem von einem gesellschaftlichen Konsens getragenen Dauerzustand. Eine signifikante Reduzierung der Abtreibungszahlen ist unter diesen Umständen nicht zu erwarten.
(jwb)

Mittwoch, 18. November 2015

SCHUTZ DES LEBENS -

Eine gute Woche im Deutschen Bundestag: eine persönliche Anmerkung


Am 5. November 2015 hat der Deutsche Bundestag das Palliativ- und Hospiz-Gesetz beschlossen. Es regelt für Sterbende die verbesserte ambulante und stationäre Versorgung, z.B. in Hospizen. Die Sterbebegleitung in ihren verschiedenen Formen ist jetzt fester Bestandteil des Versorgungsauftrags der sozialen Pflegeversicherung. Die Hospizkultur wird durch die bessere finanzielle Ausstattung dieser Einrichtungen gestärkt; dazu wird die Erhöhung der von den Krankenkassen zu erbringenden Kostenerstattung von 90% auf 95% angestrebt. 

Am 6. November 2015 hat der Deutsche Bundestag nach jahrelangen, intensiven Diskussionen unter Aufhebung des Fraktionszwanges ein Gesetz zur Bestrafung der Suizidbeihilfe beschlossen: Während wie bisher die im Einzelfall z.B. von Angehörigen ausgeübte Beihilfe zur Selbsttötung grundsätzlich straffrei bleibt, wird die geschäftsmäßige (organisierte, auf Wiederholung angelegte)  Hilfe sanktioniert. Das gilt u.a. für sogenannte Sterbehilfevereine, die schon einen „Gang nach Karlsruhe“ angekündigt haben. Für Ärzte hat diese Entscheidung nur zum Teil zu einer wünschenswerten Klärung ihrer Situation beigetragen, weil einige standesrechtliche Ländergesetze diese Beihilfe verbieten - unter Androhung des Verlustes der Approbation.


Das (wohl nicht zufällige) zeitliche Zusammenfallen dieser beiden wegweisenden Entscheidungen des deutschen Gesetzgebers kann man als eine „glückliche Fügung“ bei der Frage der Zukunft einer gewünschten, menschenwürdigen Sterbegleitung ansehen. Führende Vertreter der christlichen Kirchen (u.a. die Bischöfe Ackermann und Fürst sowie Peter Neher, der Präsident der Caritas) haben daher den verstärkten Ausbau der Einrichtungen der Palliativmeditin bzw. der Hospize angemahnt bzw. versprochen. „Auch sterbenskranke Menschen haben ihren Platz inmitten unserer Gesellschaft“ (Neher). Sie über die Suizidbeihilfe möglicherweise sogar unter sozialen Rechtfertigungsdruck zu setzen, wäre jedenfalls m. E. keine akzeptable gesellschaftliche Option (jwb).

Dienstag, 15. September 2015

Videointerviews

15. September 2015 schon 180.036 Klicks


Im Anschluss an und als künftiger Ersatz für die vorher durchgeführten Vortragsveranstaltungen haben wir ab August 2007 mit eigenen Videointerviewreihen begonnen: Zu Beginn mit dem anspruchsvollen und in unserer alternden Bevölkerung besonders interessierenden Themenkreis zur „Ars Moriendi“. Die Idee für diesen neuen Schwerpunkt unserer Öffentlichkeitsarbeit war, auf diese Weise bestimmte Themen gezielter und schneller aufarbeiten und nachhaltiger anbieten zu können.

Mit Erfolg: Unsere 49 Interviews sind – Beginn September 2015 – über 180.000-mal angeklickt (besucht) worden; „Spitzenreiter“ mit aktuell fast 43.000 klicks ist ein audiophon mit Bewohnern eines Hospizes in der Nähe von Wiesbaden.

Diesen Weg möchten wir fortsetzen. Bzgl. möglicher neuer Interviews denken wir darüber nach (wie von einem Mitglied vorgeschlagen), die Thematik „auf die erschreckend zunehmende Vernachlässigung von Kindern bis hin zu Kindesmisshandlungen bzw.-tötungen“ zu erweitern“. Es ist sehr zu begrüßen, dass gerade in diesem sensiblen Bereich intensiv über neue präventive Maßnahmen nachgedacht wird („gewaltlos“, „Babylotse“). Diese Ansätze würden wir gern mit unseren Videos unterstützen. Allerdings haben wir feststellen müssen, dass einige Anbieter dieser Maßnahmen (private bzw. kirchliche Gruppen, aber auch Krankenhäuser) es leider ablehnen, sich von Aussenstehenden (wie uns) öffentlich – per Video über YouTube – zu dieser heiklen Problematik befragen zu lassen. Auch wenn wir, insbesondere in Bezug auf die beteiligten Personen, für eine gewisse Zurückhaltung viel Verständnis haben, werden wir auch in diesem Bereich weiter nach Partnern suchen.

Mehr Chancen könnten sich bei z. Zt. besonders aktuellen Fragen zum Lebensende ergeben. Unsere Gesellschaft wird dankenswerterweise immer älter. In generationsübergreifenden Einrichtungen suchen wir nach zukunftsfähigen Formen des Zusammenlebens. Neue Optionen als Folge der verlängerten Lebenszeit werfen zunehmend ethisch-rechtliche Fragen auf: Aktuelles Stichwort „Beihilfe bei der Selbsttötung“.

In Kontakten mit den entsprechenden Ämtern, Sozialarbeitern, Psychologen, Seelsorgern aber auch Journalisten suchen wir interessierte Interviewpartner.

Donnerstag, 6. August 2015

24-Stunden-Kitas - Staatliche Spätbetreuung: Bundesregierung investiert 100 Mio.

Bistum Essen plant vergleichbare Angebote


Die negative demographische Entwicklung in unserem Land stellt Gesellschaft/Wirtschaft vor zunehmend komplexere Aufgaben. Seit Jahren wird die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf als ein Ziel vieler Erziehungsangebote propagiert. Angesichts unserer breit differenzierten Arbeitswelt wird das Erreichen dieses Zustandes immer schwieriger: Die erwartete möglichst ständige Verfügbarkeit bei flexiblen Arbeitszeiten sind einige Beispiele. Zudem arbeiten immer mehr Menschen nachts; von diesen (familienunfreundlichen) Arbeitszeiten sind nicht nur Menschen in Krankenhäusern, in den Medien, in Verkehrsbetrieben bzw. bei der Polizei betroffen, sondern zunehmend auch Beschäftigte in „normalen“ Berufen, insbesondere durch Schichtarbeiten.

Die Bundesfamilienministerin Schwesig hat daher ein 100-Mio-Programm angekündigt, mit dem in den Jahren 2016 bis 2018 der Ausbau staatlicher Spätbetreuung (in 24-Stunden-Kitas) für diesen immer größer werdenden Bevölkerungsteil gefördert werden soll - allerdings nicht flächendeckend und nur für Sonderfälle.

Das katholische Bistum Essen hat im Sommer 2015 bestätigt, dass es zwei derartige Einrichtungen plant - für Notfälle an Wochenenden mit entsprechenden Übernachtungsmöglichkeiten. Diese Initiative ist im Sinne der gewünschten Pluralität insbesondere in diesem sensiblen Betreuungs-Segment zu begrüßen.

In Schwerin gibt es eine staatliche 24-Stunden-Kita: „Nidulus“. Sie ist nur für die Fälle gedacht, in denen beide Elternteile regelmäßig abends bzw. nachts sowie an Wochenenden oder Feiertagen arbeiten müssen. Dieses Angebot wird stark nachgefragt – offensichtlich trifft es eine Lücke im Betreuungsangebot in unserer modernen Arbeitswelt.

Grundsätzlich soll die frühkindliche Fremdbetreuung die Wahlmöglichkeiten arbeitsinteressierter Eltern erhöhen; sie sind und bleiben die ersten Erziehungsberechtigten. Die gelungene Bindung der Kleinstkinder ist für ihre spätere Entwicklung von prägender Bedeutung. Es ist entscheidend, welcher verlässliche Dialograum den heranwachsenden Kindern zur Verfügung steht. Ihr wohlverstandenes Interesse ist das primäre Ziel. Bei dem angestrebten Ausbau der Kitas muss daher besonderes Gewicht auf die Gewinnung von belastbarem und qualifiziertem Personal gelegt werden. Leider scheint es, dass in diesem Bereich – und nicht so sehr bei der Finanzierung bzw. der Raumbeschaffung – die wesentlichen Hürden für den erfolgreichen Ausbau der Fremdbetreuung liegen.

Fremdbetreuung in 24-Stunden-Kitas ? – Ja, aber nur als qualifiziertes Angebot für Ausnahmefälle

Samstag, 20. Juni 2015

MISSBRAUCH IN KITA IN MAINZ-Weisenau:
Fragen über Fragen


„Alles ist doof“, so lautete die kryptisch-harmlose Antwort eines kleinen Jungen, den sein Vater gefragt hatte, wie es ihm tagsüber in der Kita ergangen war. Was sich wirklich in der Kita zugetragen hatte, blieb über lange Zeit unklar. Im Mai 2015 ist bekannt geworden, dass es in der Mainzer Kita „Maria Königin“ aus Angst und unter Drohungen zu sexuellen Übergriffen unter Kleinkindern gekommen sein soll. Die Kita ist daraufhin vorübergehend geschlossen und die sieben Erzieher fristlos entlassen worden; diese klagen gegen die Kündigung.

Die erschreckende Besonderheit ist, dass viele der Kinder (3 bis 6 Jahre alt) selbst als Missbrauchstäter ausgemacht worden sind: 53 von 55 Kindern sollen betroffen sein.

Wie konnten diese Vorgänge trotz sichtbarer Anzeichen von Gewaltanwendung über einen so langen Zeitraum unbemerkt bzw. ungeahndet bleiben? Diese Vorfälle sind mit ungläubigem Erschrecken aufgenommen worden – sie haben viele Fragen aufgeworfen, so u.a. in einem Interview mit Prof. Michael Huss, Kinderpsychologe am Mainzer UniKlinikum (FAZ, 17.06.15). Die fast 100%-ige Betroffenheit der Gruppe sei besonders auffällig. Da Kinder sich solche Taten nicht selbst ausdenken, muss es - nach Ansicht von Prof. Huss - Vorbilder, wohl auch auf der visuellen Ebene, gegeben haben. Möglich sei auch, dass frühere Opfer von  Übergriffen später zu Tätern geworden seien.

Es werde wesentlich darauf ankommen, beschädigte Schutzräume wieder aufzubauen. Inwieweit deshalb die Kinder selbst in die Aufklärung der Vorfälle einbezogen werden sollten, welche legitime Rolle dem Vergessen bzw. sogar dem Verdrängen in diesem Prozess zugestanden werden kann, bedarf bei dem Alter der Beteiligten besonders sorgsamer Abwägung. Wegen der Strafunmündigkeit darf es nicht zu strafrechtlichen Maßnahmen gegen die Kleinkinder kommen.

  • November 2015: Neuere Untersuchungen der Staatsanwaltschaft lassen erhebliche Zweifel an den bisherigen Darstellungen aufkommen.

Montag, 1. Juni 2015

FAMILIE (2): Nach dem irischen Votum zugunsten der Ehe für gleichgeschlechtliche Menschen

Im Mai 2015 haben sich die Iren in einem Referendum überraschend eindeutig mit fast zwei Drittel der Stimmen für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe ausgesprochen. Diese „soziale Revolution“ steht im krassen Widerspruch zu der wiederholt geäußerten ablehnenden Haltung der katholischen Bischöfe (nicht nur in Irland).

Wie ist dieses Votum zu erklären – und was könnte es für uns bedeuten? Nach den bei uns veröffentlichten Umfragen zur Vorbereitung der vatikanischen Bischofskonferenz 2014 zu Fragen von Ehe und Familie ist nicht daran zu zweifeln, dass zwischen der katholischen Lehre und der gelebten Wirklichkeit „Welten liegen“. Es liegt daher nahe, das irische Votum (nur) als befreiende Reaktion auf die als realitätsfremd, ja sogar als menschenunfreundlich empfundene Sexualmoral der Kirche zu deuten.

Ein Weiteres kommt hinzu: Die um sich greifende Säkularisierung hat dazu geführt, dass die von der Kirche vorgelegten Lehrmeinungen nicht wegen der unverständlichen Sprache und nicht wegen des als falsch eingestuften Wahrheitsgehalts – der wird gar nicht mehr überprüft -, sondern wegen ihrer nachlassenden Relevanz für das Leben des Einzelnen zunehmend ignoriert werden. Man hat sich – mehr oder weniger bewusst - in einer persönlich als angemessen empfundenen Grauzone eingerichtet; die Sprache der Kirche mit ihrem „Schwarz-Weiss-Denken“ (Beispiel: Kardinal Parolin „Votum in Irland ist Niederlage für die Menschheit“) wird als unangemessen und wenig hilfreich empfunden.

Seit 2001 gibt es in Deutschland die „eingetragene Lebenspartnerschaft gleichgeschlechtlicher Menschen“, nicht aber die Möglichkeit einer Ehe. Überhaupt nicht überraschend wird als Folge des irischen Votums jetzt auch bei uns medial vehement die völlige rechtliche Gleichstellung gefordert. Wie realistisch ist diese Forderung?

Kardinal Walter Kasper hat bestätigt, dass „demokratische Staaten die Pflicht haben, den Willen der Bevölkerung umzusetzen. Es sei offensichtlich, dass die Mehrheit der Menschen in den westlichen Ländern die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe befürwortet“. Der Kardinal stellt demgegenüber aber auch fest, dass die katholische Kirche an ihrer grundsätzlich ablehnenden Haltung festhalten werde. „Die Ehe zwischen Mann und Frau bleibe die einzige Quelle für neues Leben (und Zukunft)“. Auf diesen grundlegenden, gesellschaftlich relevanten Unterschied hinzuweisen stellt keine Diskriminierung anderer Formen der Partnerschaft dar.

Inwieweit bei diesem eindeutigen Sachverhalt eine von den Menschen akzeptierte und als zukunftsfähig empfundene Sprache für die angestrebte Gleichstellung gefunden werden kann, ist fraglich. Art. 6 GG stellt Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates. Sollte der deutsche Gesetzgeber gleichgeschlechtliche Partnerschaften der Ehe rechtlich vollständig gleichstellen, allerdings aus Gründen der Differenzierung (und eben nicht als unerlaubte Diskriminierung) ohne die Bezeichnung Ehe zu wählen, müsste die Frage der Geltung des Schutzbereichs von Art. 6 GG geklärt werden.